Révolte et statut social, de l'Antiquité aux Temps modernes

Révolte et statut social, de l'Antiquité aux Temps modernes

Organisatoren
Mission historique française en Allemagne (Göttingen); Deutsches Historisches Institut (Paris)
Ort
Paris
Land
France
Vom - Bis
24.10.2005 - 25.10.2005
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Von
Philippe Depreux, Mission historique française en Allemagne

Dieses internationale Kolloquium wurde von der Mission historique française en Allemagne (Philippe Depreux) mit Unterstützung des Deutschen Historischen Instituts Paris ausgerichtet. Es hatte sich die Untersuchung der aufrührerischen Phänomene als ein Element der Analyse der sozialen Hierarchie zum Ziel gesetzt. Dabei wurde von in chronologischer und geographischer Hinsicht sehr unterschiedlichen Ereignissen ausgegangen, in zeitlicher Hinsicht galt jedoch dem Mittelalter ein besonderes Interesse. Die Beiträge widmeten sich überwiegend dem Abendland, das eine regelrechte "Kultur des Aufstandes" kannte (O. G. Oexle), wenn auch die Analyse auf die chinesische und die byzantinische Gesellschaft ausgeweitet wurde. Das Interessante an diesem Vergleich liegt, wie Hanna Vollrath (Universität Bochum) in ihrer Zusammenfassung des Kolloquiums unterstrich, darin, dass er die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des aufrührerischen Handelns selbst hervorhebt, je nachdem, ob es mit dem göttlichen Plan übereinstimmte oder nicht, und dass der Vergleich das herausstellt, was man als eine Besonderheit der abendländischen Kultur bezeichnen kann: die Rechtfertigung für den Aufstand und gegebenenfalls die Aufwertung des Widerstandes gegen den normalen Lauf der Dinge (was dies betrifft, muss man zugeben, dass die Quellen, die von Aufständen berichten, selten objektiv sind). Während die chinesische Gesellschaft, die François Martin (École Pratique des Hautes Études, Paris) ausgehend von der Revolte des Sun En und des Lu Xun (398-411) analysierte, nur die Begriffe der Ordnung und der Unordnung kennt, um einerseits Frieden und Harmonie und andererseits Aufstand und Krieg zu bezeichnen, haben die abendländischen Gelehrten - als Erben der Römer - ein ganzes Arsenal an Begriffen zur Verfügung, um die seditio von der conjuratio und dem tumultus zu unterscheiden, die nicht mit dem bellum gleichzusetzen waren. Der Begriff der göttlichen Unterstützung ist auch in Byzanz besonders wichtig, wo der Widerstand gegen einen Tyrannen als die Pflicht verstanden wird, die Ordnung wiederherzustellen, die durch den gestört worden war, der dazu verpflichtet war, ihre Einhaltung zu garantieren. Die Mitglieder der politischen Elite konnten sich, wie Jean-Claude Cheynet (Universität Paris IV) belegte, ganz legitim gegen den Basileus erheben.

Die Revolten, die manchmal die Disparität des Verhaltens je nach Standeszugehörigkeit hervortreten lassen, dürfen aber keinesfalls als Ausdruck von Klassenkämpfen verstanden werden, auch wenn sie vom Willen, eine Verschlechterung des Sozialstatuts zu bekämpfen, ausgelöst wurden. Was dies betrifft, so kann man sich mit Hanna Vollrath fragen, ob der Begriff des honor, der alles, was ein Mensch ist und hat, einschließt, nicht im Verlauf des Hochmittelalters von dem der res publica abgelöst wurde. Der Welt der Klöster dürften diese Art von Überlegungen fremd gewesen sein - in der Tat scheint, wie Steffen Patzold (Universität Hamburg) zeigen konnte, die soziale Herkunft in Bezug auf die Auslösung einer aufrührerischen Bewegung nicht wichtig gewesen zu sein (wenn auch die Erinnerung an diese Herkunft mit dem Eintritt ins Kloster nicht ausgelöscht wurde). Die Versorgung der Mönche und die Reform des klösterlichen Lebens betreffende Fragen tauchen im Gegensatz dazu immer wieder in den Quellen auf. Dennoch stellte es sich heraus, dass die Widerstandsbewegungen gegen die Politik des Abtes, so sehr sie schon ihrer Natur nach der Regel und dem Gelöbnis des Gehorsams entgegenstanden, zu einem sozialen Aufstieg führen konnten, auch wenn es kaum möglich ist individuelle Schicksale nachzuzeichnen. Die Untersuchung der Revolten im klösterlichen Milieu bestätigen die Einbettung der Klöster in ihre Zeit, sie spiegeln die Welt jenseits der Klostermauern - was diesen Aspekt betrifft - nur in verhaltener Form wider.

Die religiöse Dimension des sozialen Widerstandes in älteren Gesellschaften wurde von Bruno Pottier überzeugend herausgearbeitet, der einige Ergebnisse seiner Dissertation über das Banditenwesen auf dem Land im römischen Imperium vorstellte (Universität Paris X - Nanterre, 2004). Er schlug vor, in den Circumcellionen des 4. und 5. Jahrhunderts Angehörige einer bäuerlichen Elite zu sehen, die versuchten, das damals nicht mehr aktuelle Martyrium durch Askese und moralische Strenge zu kompensieren. Der Wille dieser Vorläufer der "perfect_i" (man kann allerdings keine Verbindungslinie von diesen "_sancti" der Spätantike zu den Katharern ziehen), auf die Entwicklung der Gesellschaft in erbaulicher Weise Einfluss zu nehmen, zeigt sich in ihren Mitteln zur Einflussnahme auf die Großgrundbesitzer: Sie waren mehr Rituale der sozialen Umkehrung als dem Bauernaufstand innewohnende Gewalttätigkeiten. Die religiösen Veränderungen konnten, wegen der politischen und sozialen Umwälzungen, mit denen sie zuweilen verbunden waren, als wichtige Gründe für die Rebellion gesehen oder als solche angeführt werden, ob nun als Ursache oder als Konsequenz davon. Dies zeigt der Aufstand der Stellinga im karolingischen Sachsen in der Mitte des 9. Jahrhunderts, einer der Fälle, an denen Philippe Depreux (MHFA, Göttingen) analysierte, inwiefern die Revolte der Verteidigung eines Sozialstatus und/oder der Anfechtung eines gesellschaftlichen Modells dienen konnte. Der fragmentarische und parteiische Charakter der Quellen macht die Interpretation aber besonders schwierig. Nichtsdestoweniger erwies sich die familiäre Situation oft als entscheidend, wie das Beispiel der Revolte des Grafen Hardrad in Thüringen zwei Generationen früher zeigt. Religiöse Motive konnten auch die kommunalen Erhebungen in Italien im 11. und 12. Jahrhundert nähren, die von Claudia Zey (Universität Zürich) untersucht wurden - oder solche in Rom in der Mitte des 14. Jahrhunderts, wo Cola di Rienzo sich auszeichnen sollte. Die kommunale Bewegung des Mittelalters ist vor allen Dingen aufschlussreich für die soziale Gliederung, die von den charismatischen Anführern, den Capitane und Valvassoren, gekrönt wurde, welchen sich die Kaufleute und Händler anschlossen, auch wenn eine breitere Vereinigung verschiedener Bevölkerungskategorien betroffen war. Die Quellen zeichnen ein überwiegend negatives Bild von der Überschreitung der sozialen Barrieren. Trotzdem hatte die kommunale Bewegung auch eine sozial relevante Komponente. So interpretiert Alain Saint-Denis (Universität Dijon) die kommunale Bewegung, die sich in der Kirchenprovinz von Reims am Ende des 11. Jahrhunderts und während des ersten Drittels des 12. Jahrhunderts entwickelte, als eine Phase des Aufstiegs und der Etablierung der Angehörigen der städtischen und kaufmännischen Elite an der Macht. Diesbezüglich muss man die Bedeutung der Gewaltanwendung relativieren, diese war eher ein gelegentlich auftretendes Symptom eines Misslingens der Umsetzung einer ausgehandelten Vereinbarung als eine Verhaltensweise, die dieser Form der Schwurgemeinschaft, die auf den Erhalt des Friedens abzielte, inhärent war. Die Frage nach der Verbindung von Revolte und sozialem Aufstieg scheint sich weniger in Bezug auf individuelle Schicksale zu stellen als bezüglich der Zunahme der Bedeutung einer bestimmten sozialen Gruppe, insbesondere des Adels. Dies scheint besonders für England im 12.-14. Jahrhundert zu gelten, welches von Jörg Peltzer (Universität Heidelberg) untersucht wurde. Die Revolte von 1381, während der der Prediger John Ball sich die Frage nach der Existenz des Gentlemans stellte, als "Adam pflügte und Eva spann", steht in starkem Kontrast zu den Anfechtungen der königlichen Macht und der - gegebenenfalls bewaffneten - Verhandlung von neuen Machtbeziehungen zwischen dem König und den Mitgliedern der aristokratischen Elite. Die Magna Carta von 1215 hatte einen Rat von 25 Baronen festgeschrieben, der die königliche Macht kontrollieren sollte. Sieben Jahre später in Ungarn gestand Andreas II. den Bischöfen, Baronen und Aristokraten das Recht, wenn auch nicht auf "Revolte" (selbst wenn es sich de facto auch darum handelte) so doch auf "Widerstand", zu (resistendi et contradicendi nobis … facultas). Sich also auf die Rechtmäßigkeit des aristokratischen Aufstandes stützend, zog es Marianne Sághy (Central European University, Budapest) vor, ihr Augenmerk auf das Aufkommen der "nationalen" Dimension in der Geschichtsschreibung des 14. und 15. Jahrhunderts, besonders in der Chronik von János Thuróczy, zu richten, um den Fall des "ungarischen" Aufständischen unter der Herrschaft des Hauses von Anjou und Sigismunds von Luxemburg zu studieren. Aber die Frage nach dem sozialen Aufstieg und den Möglichkeiten, die der Aufstand bot, stand im Zentrum der Überlegungen von Uwe Israel (Centro Tedesco di Studi Veneziani, Venedig), die dem Vergleich der Schicksale von Cola di Rienzo in Rom in der Mitte des 14. Jahrhunderts und von Stefano Porcari hundert Jahre später galten, die von unterschiedlichen sozialen Schichten unterstützt wurden. Der Erste stammte aus dem popolo minuto und verstand es, sich mit der Mittelschicht zu verbinden, die in wirtschaftlicher Hinsicht besonders dynamisch war, während der Zweite dem städtischen Adel angehörte. Beide zeigen, ungeachtet des Einflusses, den die An- oder Abwesenheit des Papstes von Rom haben konnte, einerseits die Bedeutung der Bezugnahme auf antike Traditionen und - im Fall von Cola - die Rolle, die die intellektuelle Bildung für politische Ambitionen spielte und andererseits die Wichtigkeit, die Beziehungen und Freundschaften außerhalb der sozialen Schicht, aus der man stammt, und außerhalb Roms zukam.

Kai-Henrik Günther (Doktorand, Universität Göttingen) privilegierte in seinem Vortrag über die Revolten in Brügge (1301), Zürich (1336) und Braunschweig (1374) aufgrund der Gleichheit, die zwischen den Mitgliedern der Kommunen herrschen sollte, die Interpretation der Schwureinungen als soziales Phänomen der Nivellierung. Demgegenüber verwies Vincent Challet (Universität Montpellier), was die Bauernaufstände in Frankreich im 14. und 15. Jahrhundert betrifft, mit Nachdruck auf die Rolle, die die dörflichen Eliten, die Angehörigen des niederen Klerus und des ländlichen Adels spielten: Indem sie sich die Forderungen der Bauern zu eigen machten, behielten sie die Kontrolle über sie und setzten den Erhalt einer gewissen Hierarchie durch. Auch im Bauernkrieg, den Werner Troßbach (Universität Kassel) untersuchte, waren die Angehörigen der oberen Schicht der ländlichen und dörflichen Gesellschaft die eigentlichen Anführer des Aufstandes von 1525. Außer den Konflikten zwischen Pflügern und Tagelöhnern kam es zu Interessenkonflikten innerhalb der lokalen Elite. Daraus ist zu folgern, dass der Aufstand als wiewohl insgesamt wenig wirksames Mittel des sozialen Aufstiegs und als eine Neuordnung der gesellschaftlichen Stellung innerhalb einer sozialen Schicht angesehen werden kann (auch der Aufstand von Sun En und Lu Xun in der Region von Nanking und am unteren Blauen Fluss zeigt deutlich die bestehenden Spannungen zwischen gewissen noblen Familien, die die Ausübung von wichtigen Funktionen für sich beanspruchen, und denen, die über Landbesitz verfügen - in diesem Fall war die Rivalität bezüglich der unmittelbaren Kontrolle über das Land durch die unterschiedliche geographische Herkunft der Personen noch stärker). Aber der Aufruhr konnte auch ein Mittel sein, eine Position im Machtspiel der Kämpfe der aufrührerischen Parteien zu verteidigen, das von Olivia Carpi (Universität Amiens) am Beispiel der städtischen Eliten in der Zeit der Religionskriege analysiert wurde. Der Antagonismus zwischen den verschiedenen "Bürgerständen" mit rivalisierenden Ambitionen spielte eine entscheidende Rolle, denn die Bürger, die der Ligue angehörten, zeichneten sich durch ein gemäßigtes Verhalten, ihren Konservatismus und die mühsame Suche nach einem Konsens in der Politik des Magistrates aus und strebten nach einer gewissen sozialen Anerkennung oder sogar nach einer Vorrangstellung innerhalb der Gesellschaft.

Aus den im Verlauf dieser zwei Tage vorgetragenen Reflexionen gewinnt man den Eindruck, dass hinsichtlich des Verhältnisses von Aufstand und Sozialstatus in den älteren Gesellschaften die Revolte in erster Linie ein Mittel war, einen gewissen Status zu erhalten und die sich verändernden sozialen Beziehungen zu gliedern. Es handelte sich mehr um eine defensive Handlung als um den Ausdruck eines reformerischen Strebens nach einer neuen Ordnung - darin liegt der ganze Unterschied von "Revolte" und "Revolution". Die Publikation dieses Kolloquiums, dessen einzelne Sitzungen von Régine Le Jan (Universität Paris I), Yves-Marie Bercé (Universität Paris IV), Pierre Monnet (École des Hautes Études en Sciences Sociales, Paris) und Werner Paravicini (DHI, Paris) geleitet wurden, wird im Laufe des Jahres 2007 in einer Reihe des Deutschen Historischen Instituts Paris erfolgen.


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